Goldchen, 30. Juni 2003 um 10:06:48 MESZ
Der Traum vom Richtmikrofon (und die Zensur)
Manchmal - so wie jetzt gerade - wünsche ich mir ein Richtmikrofon in meinem Büro. Allein die letzten 30 Minuten würden eine Übertragung lohnen: Warum sollen nur Dorsch (verquollene Augen) und Goldchen (rötliche Augen) von Iwe (vollfit) die neuesten Inspirationen (getriggert durch die aktuelle Ausgabe der FAZ und gespickt mit Versatzstücken aus Debka, dem Organ "pensionierter Mossad-Agenten") gespritzt bekommen?
Entschuldige, Synta! Dieses Hirn-Zirkeltraining gepaart mit dem Rekapitulieren einer gelungenen Hochzeitsnacht lässt mir siedend-heiß einschießen, was ich am 22. Februar diesen Jahres schändlicherweise versäumt habe: Synta, bitte um Verzeihung! Ich hätte Dir am 22. eine Postkarte schicken sollen (das war dieses charmante Spiel bei Deiner Hochzeit). Als Trauzeugin mit Übung hätte ich da mehr von mir erwartet ...
So eine Karte (diesmal Essen kochen im Februar) habe ich auch vergangenes Wochenende gezogen. Ein Bericht dieses Festes wäre entweder sehr lang oder ungefähr so: Entspannt, lustig, unprätentiös, amikal und sehr geborgen.
"Sprichst Du unzensiert?" Ein Gedanke von vielen lohnenswerten, die sich spätestens nach dem Schwenk auf Rotwein ergeben haben, passt zum "Was kann/will ich posten?"-Thema (s.u.). Nach einer Woche Fokussierung flossen meine Assoziationen (und leider auch meine beinah komplette Lebensgeschichte) ohne weiteren Filter durch meinen Mund und die warme Nachtluft direkt ins Gesicht meines Tischherrn. Der dann irgendwann fragte: "Sprichst Du unzensiert?"
Wie muss ich mir das vorstellen? Das Selbst redet (oder will reden) und das Ego sitzt streng daneben und redigiert den Text? Das Ego entwirft ein Konzept vom Selbst und richtet die Blattlinie der Dia-/Monologe danach aus? Das Selbst liest in der Seele des Rezipienten, was dieser hören will und verkraften kann, und befiehlt dem Ego, die Erwartungshaltung zu befriedigen?
Die Frage, die mich bass erstaunte, hat tags drauf schon ihren Sinn. Erstens macht es einen Unterschied, mit wem man redet. Zweitens macht es einen Unterschied, dass man mit einem (1) redet oder mit einem überschaubaren Personenkreis. Daraus ergibt sich freiere Rede, allerdings in unterschiedlichen Varianten je nach Gesprächspartner(n). Der Grad der Offenheit und die Art der Formulierung, sogar die Wahl der Themen, können - obwohl der Sprecher derselbe bleibt - schwerstens auseinanderklaffen, je nachdem ob der Feind mithört oder die Mutter oder eine neue Zugbekanntschaft.
Als Autor einer "public website" gibt man die Kontrolle über den Leserkreis zwangsläufig auf. Die Mutter kennt die URL, der Feind und auch die neue Zugsbekanntschaft. Es muss eine Version für alle geben oder eine kräftige Dosis "scheiß Dir nix". Und immer eine Form von "Zensur". Aus diesem Grund wird auch die Idee mit dem Richtmikro gleich weniger attraktiv, denn der Effekt wäre derselbe (interessante Fernsehdiskussionen gab es doch auch höchstens in der Retrospektive).
Da war noch Eine Ode an die Flip-Flops, via Praschl. Und das korrigierte (aber nicht weiter raffinissierte) Excel für die Finanzen: ausgabenrechnung_neutral (application/vnd.ms-excel, 102 KB) .
An Zufälle glaube ich schon lange nicht mehr, aber es ist doch immer wieder verblüffend, wenn so ein Ereignis eintritt. Da stolpere ich scheinbar zufällig hier rein und bekomme umgehend den Anfang eines Fadens in die Hand gedrückt, den ich seit Jahren nicht finden konnte. Als ich Deine Gedanken zu Selbst und Ego gelesen hatte, sass ich erstmal einige Minuten ganz andächtig still.
Ob nur das Ego den Text redigiert, da bin ich mir noch nicht ganz schlüssig. Vielleicht auch das kleine, hilflose Kind in einem. Wichtiger und erhellend, wie Du zutreffend und klasse beschreibst, wie das Selbst die Erwartungshaltung der anderen zu befriedigen sucht. So kenne ich das aus bestimmten Situationen. In dem Moment wird man zum Zombie, gesteuert vom Gegenüber, von anderen. Führt nur noch Befehle aus, die andere ausstrahlen.
Mir wars nicht klar, warum ich in diesen Zustand verfiel, mir so fremd dabei vorkam. Dabei ist es ganz einfach, aber hinterher betrachtet scheint das meistens so. Zu beschreiben wie wichtig das für mich ist, lasse ich lieber sein. Das Posting klingt kitschig genug und ist ohnehin bereits ein halber Roman.
Meiner Mutter würde ich via Weblog unangenehme Dinge nahebringen, z.B.: Heute aus der Kirche ausgetreten! Bin pleite! Habe mich in eine Bardame verliebt und ähnlich Niederschmetterndes. Natürliche Feinde habe ich keine, da muss ich passen. Vielleicht wärs auch nicht klug hier konkrete Strategien zu erörtern. ;-) Allgemein heisst es, Offenheit macht stark und schön. Du siehst, ich versuche verzweifelt;-) Dir etwas zurückzugeben, vielleicht hilft Dir das eine oder andere weiter.
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Behelfsbegriffe
"Ego" und "Selbst" sind bei mir nicht psychologisch gemeint, sondern Behelfsbegriffe. Deshalb schlage ich bedenkenlos das innere Kind, wenn es kreischt, dem Ego zu.
Die Erwartungshaltung zu befriedigen, hat bei mir weniger mit dem befehlsempfangenden Zombie zu tun, sondern fühlt sich eher so an, wie es Moritz von Uslar im Frühjahr bei einem "Heidi Klum"-Interview im SZ-Magazin beschrieb: "Sagen wir, wie es ist - ganz klar, ganz einfach: Schon hat sie einen. Schon hat man sich in sie verliebt. Das bedeutet: Man wird ab sofort versuchen, witzig zu sein - damit sie lacht. Oh je. Mann, ja. Es ist so schön, so klein, so arm. Es muss die Unterhaltung deshalb nicht besser werden. Eher: Im Gegenteil. Da sitzt sie, betrachet, was sie angerichtet hat, zufrieden mit sich, klar. ..."
Und noch was zu den Zufällen. Ein nettes Thema: Zufall oder Vorhersehung?, kommt hier vielleicht auch mal. In dem Fall glaube ich, ist es eher Was ist Mainstream?. Was beschäftigt alle oder zumindest viele. Das ist das Prinzip, das einem Bestseller zu Grunde liegt: Sprachlicher Stil Spitze, aber wichtiger: Es bringt im Leser etwas zum Klingen, das ihn selbst und höchstpersönlich betriftt. "Woher wusste der Autor?"-Gefühle erzwingen fast die Weiterempfehlung an Bekannte ...
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Zombie
war auf mich bezogen. Ich hatte überlegt, schreib ich Roboter, das ginge in die von Dir skizzierte mechanische Richtung mit dem Auspringen auf einen Zug, von dem man nicht mehr runterkommt. Das schien mir nicht zutreffend, weil tiefer gelagert. Auf Dich war Zombie nicht gemünzt, das wollte und kann ich garnicht beurteilen. Du hast einfach ein Problem für mich gelöst.
Ein Versuch das zu verdeutlichen. Ich trage seit Jahren ein Medaillon am Hals. Drin ist ein Schlüssel zu einer Kassette. Ich weiss nicht, wie man das Medaillon öffnet, aber es scheint nicht so wichtig. Auf einem Spaziergang treffe ich eine Frau, die ein ähnliches Medaillon trägt und mir zeigt wie es aufgeht. Was in ihrem Medalliion drin ist, sehe ich nicht genau. Doch nun kann ich mein Medaillon und meine Kassette öffnen und sehe plötzlich, wie wichtig der Inhalt ist.
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last updated: 28.02.20, 12:10
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This one
is really very good. We've tried it. More recipes please!!! ...
Fantastico
Ich bin weit weg und das girlscamp hat ein neues Rezept. Damit habe ich schon gar nicht mehr gerechnet. Werde ich ehebaldigst ausprobieren. ;) ...
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